Das Hilfsmittel auf vier Pfoten – Der Blindenführhund

Blindenführhund

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Blinder Mann mit seinem Blindenführhund in Brasília, Brasilien

Junger Labrador Retriever mit Führgeschirr in der Ausbildung zum Blindenhund

Blindenführhunde sind speziell ausgebildete Assistenzhunde, die blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen eine gefahrlose Orientierung sowohl in vertrauter als auch in fremder Umgebung gewährleisten sollen. Blindenführhunde gelten nach § 33 SGB V rechtlich als Hilfsmittel. Der Blindenführhund „im Dienst“ ist an seinem weißen Führgeschirr erkennbar. Dieses ist ein Verkehrsschutzzeichen nach § 2 Absatz 2 FeV (Fahrerlaubnis-Verordnung), das alle Verkehrsteilnehmer zu besonderer Rücksicht verpflichtet. Etwa ein bis zwei Prozent der Blinden in Deutschland besitzen einen Führhund. Gut ausgebildete Führhunde ermöglichen ihren Haltern ein hohes Maß an individueller Mobilität, Sicherheit und Unabhängigkeit und stellen dadurch einen entscheidenden Faktor für die gesellschaftliche Teilhabe blinder Menschen dar.

Geschichte

Über die Anfänge der Nutzung von Hunden als Begleiter von Blinden finden sich nur wenige Quellen, doch gibt es einzelne Hinweise auf eine solche Nutzung. So heißt es in der spätmittelalterlichen Straßburger Bettelordnung von 1464 bis 1506:

„Es soll in Zukunft kein Bettler einen Hund haben oder aufziehen, es sei denn, er wäre blind und brauchte ihn.“[1]

Führgespann

Ein Team aus Blindenführhundhalter und Blindenführhund wird als Führgespann bezeichnet. Während der Hundeführer als „Navigator“ fungiert, übernimmt der Blindenführhund die Rolle des „Piloten“, indem er akustische Kommandos, sogenannte Hörzeichen, beispielsweise „Geradeaus“, „Nach links“, „Türe anzeigen“, „Straßenüberquerung“ ausführt. Dabei muss eine gute Einführung die harmonische und funktionierende Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund sichern. Die Verantwortung für das Tun des Gespanns liegt vollumfänglich beim Menschen. Der Blindenführhund ist in der Lage, intelligent zu agieren, kann dies aber nur dann tun, wenn der Mensch, den er führt, korrekte Anweisungen geben kann und die Kontrolle behält (Orientierung). Der Mensch muss fließend den Ausweichmanövern des Hundes folgen können, um die Arbeit des Hundes nicht zu stören oder gar unmöglich zu machen.

Fähigkeiten eines Blindenführhunds

Ein Blindenführhund sucht auf Anweisung Türen, Treppen, Zebrastreifen, Telefonzellen, Briefkästen, freie Sitzplätze (beispielsweise in Bus oder Bahn) und vieles mehr. Er zeigt das Gefundene an, indem er davor stehen bleibt.

Blindenführhunde sind dazu in der Lage, ihre Menschen sicher zu führen, indem sie Hindernissen wie Straßenschildern, parkenden Autos oder Fußgängern ausweichen und Straßenbegrenzungen, Treppen, Türen, Fußgängerstreifen anzeigen. Ein gut ausgebildeter Blindenführhund umgeht jegliche Art von Hindernissen oder zeigt sie durch Stehenbleiben an. Auch Bodenhindernisse wie Pfützen oder Schlaglöcher und Höhenhindernisse wie Schranken oder Schilder zeigt der Führhund an – Hindernisse, die für ihn selbst keine sind. Ein ausgebildeter Führhund beherrscht etwa 76 Hörzeichen, bei entsprechendem Training kann er aber noch wesentlich mehr erlernen. Damit diese Fähigkeiten nicht verloren gehen, sind die Besitzer angehalten, sich intensiv mit ihrem Hund zu beschäftigen und die Kommandos regelmäßig und richtig anzuwenden und zu trainieren.

Im Fall einer drohenden Gefahr, etwa im Straßenverkehr, muss der Führhund in der Lage sein, einen Befehl auch zu verweigern (sogenannter „intelligenter Ungehorsam“). Diese Fähigkeit ist eine teilautonome Handlung des speziell ausgebildeten Hundes, indem er auf eigene Entscheidung die Vermeidung von Gefahren über den Gehorsam stellt. Durch Veranlagung, Sozialisation und Ausbildung verfügt ein Führhund über ein Frühwarnsystem für gefährliche Situationen, das innerhalb der Ausbildung mit einer auszuführenden Handlung verbunden wird. Auf einer befahrenen Straße verweigert der Hund beispielsweise das Kommando vorwärts zu gehen, weil er in der Ausbildung eine Protesthaltung für diese Gefahrensituation erlernt hat.

Ausbildung

Ein junger Labrador Retriever erlernt das Führen einer blinden Person (rechts an der Leine seine Ausbilderin)

Zur Ausbildung zum Blindenführhund kommen nur friedfertige, intelligente, wesensfeste, nervenstarke, arbeitsbelastbare und gesunde Junghunde in Frage. Zudem müssen die Tiere einen intensiven Gesundheitstest bestehen, bei dem unter anderem Gelenke und Augen untersucht werden.

Die ersten Eignungstests zum Blindenführhund werden bereits im Welpenalter, mit etwa acht Wochen, in besonders dafür angelegten Welpentests von erfahrenen Führhundetrainern durchgeführt. Anschließend werden geeignete Welpen in sogenannte Patenfamilien, in denen die Hunde etwa ein Jahr lang sozialisiert werden, gegeben. Gute Führhundeschulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Patenfamilien speziell für diese Aufgabe aussuchen, anleiten und kontrollieren. Die Junghunde werden während ihres ersten Lebensjahres mit den unterschiedlichsten Ereignissen und Situationen konfrontiert. Dabei wird immer wieder das Augenmerk auf Nervenfestigkeit, Ängstlichkeit, Aggressionsverhalten, Jagdtrieb und auf Wohlverhalten im Umgang mit Menschen gerichtet.

Bezüglich der Rassen, die zur Ausbildung in Frage kommen, gibt es keine grundsätzlichen Beschränkungen. Es dürfen jedoch keine Hunde mit hohem Aggressionspotential zum Blindenführhund ausgebildet werden. Bevorzugt als Blindenführhunde ausgebildet werden Königspudel, Riesenschnauzer, Deutsche Schäferhunde, Labrador Retriever und Golden Retriever. Auch Mischlinge kommen für die Ausbildung in Frage. Die Schulterhöhe der Tiere sollte zwischen 50 cm und 65 cm liegen.

Blindenführhunde werden in speziellen Blindenführhundeschulen mittels verschiedener Methoden des Verhaltenstrainings ausgebildet. In Deutschland werden die Kosten der Ausbildung von den Krankenkassen übernommen. Die Ausbildung selbst kann bis zu zwölf Monate dauern.

Bindung zwischen Mensch und Tier

Die soziale Bindung zwischen Mensch und Hund ist die wichtigste Voraussetzung für ein gut funktionierendes Führgespann. Der Aufbau einer gegenseitigen Vertrauensbasis ist im ersten Jahr des Gespanns besonders wichtig. Gelingt der Bindungsaufbau in dieser Zeit nicht, bleiben Mensch und Blindenführhund häufig unsicher. Es bleibt auch später wichtig, engen Kontakt zu den Tieren zu halten, um die Bindung zu gewährleisten. Bei Paaren, in denen ein Partner sehend ist, kann es vorkommen, dass die Hunde eine intensivere Beziehung zum sehenden Menschen aufbauen, wenn dieser sich häufiger mit dem Tier beschäftigt und Spiele wahrnimmt, die Blinden nicht möglich sind.

Kostenübernahme

In Deutschland gilt der Blindenführhund als Hilfsmittel im Sinne des Krankenversicherungsrechts § 33 SGB V[2] und die Kosten werden bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen von den Krankenkassen übernommen. Auch in Österreich wird für Blindenführhunde gemäß § 39a des Bundesbehindertengesetzes[3] bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gewährt. Zu weiteren rechtlichen Regelungen siehe auch Assistenzhund.

Film

„Partner auf vier Pfoten – Der Blindenführhund“ Video-DVD/CD , 74 min., Farbe, Bundesrepublik Deutschland 2004[4]

Literatur

  • Walter H. Rupp: Der Blindenhund – die neue Ausbildungsmethode. Sachbuch zum Blindenführhundewesen. Verlag Müller Rüschlikon, 1987, ISBN 3-275-00913-3
  • Georg Riederle: Der Blindenführhund – Hilfsmittel mit Seele. Reha-Verlag GmbH, 1991, ISBN 3-88239-196-0
  • Tanja Kohl: Blindenführhunde ausbilden. Kynos Verlag, 2005, ISBN 3-938071-03-6
  • Silvana Calabro-Forchert: Der Blindenführhund. Wissenschaft & Technik Verlag, 2002, ISBN 3-89685-315-5
  • Buddenbrock, Andrea Freiin von (2003) Der Hund im Rettungsdienst. Ein Handbuch für Ausbildung und Einsatz, S.128 Selbstständige Problemlösungen und „intelligenter Ungehorsam“. Mürlenbach/Eifel : Kynos-Verl. ISBN 3-933228-74-3
  • Rehmann, Sibylle: Über das deutsche Blindenführhundewesen : Ausbildungsstätten und Prüfungen für Blindenführhunde. Univ., München 2000 (Diss.). 

Einzelnachweise

  1. Hochspringen 1464 bis 1506. Straßburger Bettelordnung. In: Winckelmann, Otto: Das Fürsorgewesen der Stadt Strassburg vor und nach der Reformation bis zum Ausgang des sechzehnten Jahrhunderts; ein Beitrag zur deutschen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, Teil 2. New York; London 1971 (repr. d. Ausgabe Leipzig 1922), S. 84ff.
  2. Hochspringen SG Aachen · Urteil vom 29. Mai 2007 · Az. S 13 KR 99/06
  3. Hochspringen § 39a des Bundesbehindertengesetzes (BBG), Stand vom 7. November 2011
  4. Hochspringen Datenbank Bildungsmedien

Quelle:   Wikipedia

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